(30.10.2013, 08:59)Pal schrieb: Gibt es hier noch jemand, der aus den Berichten der letzten Monate Konsequenzen gezogen hat oder noch ziehen will?
Ehrlich gesagt haben mich diese Berichte nicht wirklich überrascht. Die technischen Möglichkeiten sind seit Jahren bekannt, ebenso die Tatsache, das US-Behörden sie nutzen. So gesehen sind die Veröffentlichungen von Snowden/Greenwald für mich eher eine Erleichterung. Ich weiss jetzt genauer, sowohl was sie tun, als auch wie das geschieht.
Ich habe bislang noch keine der von Dir beschriebenen Konsequenzen gezogen. Das liegt zum einen daran, das ich schon seit Jahren sehr skeptisch im Internet unterwegs bin und sehr darauf achte, was an Informationen über mich im Umlauf ist. Zum anderen bin ich zu bequem um z.B. auf die Google-Suchmaschine zu verzichten.
Das soll jetzt nicht heissen, das es mir egal wäre. Im Gegenteil, ich bin über das Ausmaß der Überwachung bestürzt, bzw. darüber wie weit sich diese Behörden der demokratischen Kontrolle entziehen.
Ich bin außerdem der festen Überzeugung, das es unmöglich ist, mit "persönlichen Konsequenzen" etwas zu ändern. Wir haben es hier nicht mit einem Tiefkühl-Lasagne/Lebensmittel-Skandal zu tun, bei dem es reicht, die betroffenen Produkte zu boykottieren um den Produzenten zu einer Änderung seiner Geschäftspraxis zu zwingen.
Die schleichende Einführung eines Überwachungsapparates der sich der demokratischen Kontrolle entzieht, weckt böse Erinnerungen an die Weimarer Republik (aktuell machen
Vergleiche zwischen Snowden und Ossietzky ihre Runde durch die Medien).
Ebenso besorgniserregend finde ich, wie diese Überwachung in den Unterhaltungsmedien verharmlost, bzw. gerechtfertigt wird. Als Beispiel möchte ich die totale Überwachung aller Mobiltelefone in Gotham City in "Batman - The Dark Knight" oder der alltägliche Zugriff auf alle möglichen Daten ohne richterlichen Beschluss in der Serie "Navy CIS" anführen. In beiden Fällen wird der mögliche Nutzen (Verbrechensbekämpfung) über die Privatsphäre des Einzelnen gestellt, und zwar in einem Kontext, der den Zuschauer von der Sinnhaftigkeit einer solchen Totalüberwachung überzeugt. Wenn ich zu Verschwörungstheorien neigen würde, könnte ich behaupten, das die NSA maßgeblich zu den Drehbüchern beigetragen hat um ihr Handeln im Voraus für die breite Masse akzeptabel zu machen.
Nein, ich habe keine Patentlösung, keine Antwort auf diese Frage. Ich bin mir aber sicher, das es nichts gibt, was ich als einzelner tun kann, keine technische Lösung, keine Software, die man statt der gerade verwendeten nutzen kann.
Das Problem ist größer und muss auf einer gesellschaftlichen bzw. politischen Ebene gelöst werden: hier hinkt die nationale wie internationale Gesetzgebung der digitalen Realität um Jahrzehnte hinterher, d.h. warum gibt es keine internationale Ächtung von Digital Warfare, einer Ächtung von Angriffen auf die zivile Infrastruktur ähnlich dem Verbot von biologischen und chemischen Waffen (die UN wäre hier gefragt), oder ein Verbot von Tracking/Scoring, d.h. dem Anlegen von Akten/Profilen bzw. dem Verknüpfen von Daten über Personen.
Dazu müsste man eine große, gut informierte Öffentlichkeit herstellen und vermutlich auch mal demonstrieren gehen (vorausgesetzt, die demokratischen Mechanismen funktionieren noch, um die Politiker von Volkes Wille zu überzeugen). Die Snowden-Veröffentlichungen sorgen gerade für diese Öffentlichkeit, allerdings ist die eingesetzte Technik so komplex, das die Massenmedien beim Versuch, das Geschehen zu erklären, meist scheitern. Aus der Totalüberwachung wird so schnell die Bagatelle, Frau Merkels Handy sei abgehört worden.
Andererseits kann ich da keinem Journalisten einen Vorwurf machen. Ich versuche ja auch, meinen Freunden/Verwandten/Bekannten das Thema und die Tragweite zu erläutern und scheitere dabei regelmäßg. Es scheint ein durchaus menschlicher Reflex zu sein, solch unangenehme Wahrheiten zu verdrängen...
Ich glaube, wenn es eine persönliche Konsequenz für mich gibt, dann die, das ich mehr Menschen für dieses Thema sensibilisieren werde.
Gruß,
Wanker