Zwangsprostitution und Menschenhandel
(07.12.2013, 17:41)my2cents schrieb: Armut und Zwangsprostitution ursächlich auf eine Stufe zu stellen halte ich für falsch. Ich wäre auch arm, wenn ich nicht arbeiten würde. Den meisten hier dürfte es nicht anders gehen.

Ich möchte jetzt nicht den Eindruck erwecken, als würde ich dir das Wort im Mund umdrehen, aber so wie Du das schreibst klingt das für mich so, als wolltest Du sagen, das Armut keinesfalls eine Ursache für Zwangsprostitution sein kann.

Wenn ich das so durchdenke, dann könnte ich auf die dumme Idee kommen, das es eigentlich genau so viele Zwangsprostituierte aus der Schweiz und aus Schweden geben müsste, wie z.B. aus Rumänien oder Bulgarien...

Kurz gesagt: ich sehe dort einen ursächlichen Zusammenhang. Wohlgemerkt: "einen", nicht "den". Es gibt bestimmt noch viele andere Ursachen.

(07.12.2013, 17:41)my2cents schrieb: Kontrollen sind ... notwendig, um die Einhaltung der Regeln und Gesetze zu überwachen und Verstöße zu ahnden.
...
Halte Dich an die Regeln und Du hast nichts zu befürchten.
...

Ja, dieses archaische Prinzip der Androhung bzw. Anwendung von Gewalt ist mir bekannt. Spätestens seit Kant gibt es aber eine (wie ich finde) bessere Alternative, gemeinhin bekannt als "Vernunft". Das Konzept sagt (vereinfacht), das ein aufgeklärter Mensch in der Lage ist, die Konsequenzen seines Handelns abzuschätzen, und dadurch in der Lage ist, "gute" und "schlechte" Alternativen voneinander zu unterscheiden, was letztendlich Sanktionen überflüssig macht, weil der Mensch sich ja moralisch (also "gut") verhält.

Graue Theorie, und alle studierten Philosophen werden bei dieser Zusammenfassung bestimmt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen... Wink

Der Schlüssel in diesem Konzept ist das Wörtchen "aufgeklärt". Das ganze Konzept setzt ein gewisses Maß an Bildung voraus. Nur wer ein gewisses Maß an Bildung erfahren hat, kann die Konsequenzen seines Handelns absehen und richtig handeln. Wenn diese Bildung fehlt, muss man auf Sanktionen zurückgreifen, da Einsicht nicht gegeben ist.

Ausnahmsweise hab ich hier auch mal ein halbwegs passendes Beispiel aus dem Straßenverkehr parat:
Es gilt eine innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzung für KFZ, nämlich 50km/h, und die meisten Verkehrsteilnehmer halten sich ungefähr daran.
In den meisten Fällen geschieht dies, weil die Sanktion für schnelleres Fahren (Geldstrafe, Punkte, usw.) bekannt ist.
In erheblich weniger Fällen geschieht dies, weil die Konsequenz eines Unfalls mit Fußgängern bei mehr als 50km/h bekannt ist. Da sieht es nämlich so aus, das bei einem Unfall die Geschwindigkeit in direktem Zusammenhang mit der Schwere der Verletzung des Fußgängers steht, und laut Statistik sterben bei einem Unfall mit 50km/h "nur" 2 von 10 Fußgängern, während es bei 60km/h bereits 8 von 10 sind.

In Kants Konzept der Vernunft würde es nun so aussehen, das alle Menschen "aufgeklärt" sind und sich nicht nur freiwillig, sondern aus der Überzeugung heraus, das "Richtige" zu tun, an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten würden. (Ja ich weiss: Theorie ist das, was in der Praxis nie funktioniert.)


Trotzdem bleibe ich dabei: Kontrollen sind kein Mittel zur Ursachenbekämpfung.

Wenn ich als Analogie mal eine beliebige am Fließband hergestellte Ware heranziehen darf. Am Anfang des Fließbands arbeiten übermüdete, schlecht ausgebildete Lohnsklaven. Am Ende des Fließbandes durchläuft die Ware einen Qualitätscheck. Wenn die Ware "okay" ist, wird sie eingetütet und verschickt, wenn nicht wird sie aussortiert und kommt auf den Müll.
Alternative A: kein Qualitätscheck, Kunde bekommt Schrott
Alternative B: wenig Stichproben, etwas Müll, Kunde bekommt immer noch Schrott
Alternative C: viele Stichproben, viel Müll, Kunde bekommt immer noch Schrott, aber weniger als bei B
Alternative D: vollständige Kontrolle, extrem viel Müll, Kunde bekommt keinen Schrott mehr.

Da keine dieser Alternativen versucht, die Gründe für die schlechte Produktqualität herauszufinden, sind die Alternativen A-C ungeeignet, um ein brauchbares Produkt zu bekommen. Die Alternative D funktioniert aber leider nur an einem Fließband. Auf die Prostitution übertragen würde das nämliche totale Kontrolle jeder einzelnen Prostituierten und jedes Freiers bedeuten und in einem solchen Überwachungsstaat möchte ich eigentlich nicht leben.

Und deshalb bin ich auch gegen eine platte Forderung nach "mehr Kontrollen". Mir ist bewusst, das Kontrollen notwendig uns sinnvoll sind.
Aber ich möchte sicher sein können, das gleichzeitig versucht wird, die Ursachen zu erforschen und zu bekämpfen. Denn erst wenn das Problem so weit verstanden worden ist, das man die Ursachen kennt, weiss man auch wie die Kontrollen sinnvoll zu gestalten sind.

Gruß,
Wanker
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Es bedanken sich: elreydebesos,zap


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RE: Zwangsprostitution und Menschenhandel - von Wanker - 08.12.2013, 00:51
Zwangsprostitution und Menschenhandel - von Satyr - 16.07.2007, 09:54