13.10.2011, 15:45
Zitat:2. Teil: Eine Orgie zum Einstieg
SPIEGEL ONLINE: Sie müssen der Albtraum vieler Pornoregisseure gewesen sein.
Grey: Das war ich. Aber ich war ja sehr populär, deshalb mussten sie mich buchen. Ich wusste, was mein Name wert ist, und das machte ich zur Not auch deutlich. Filme sind immer ein Kräftemessen zwischen Darstellern und Regisseuren, und ich war gewohnt, zu gewinnen. Kontrolle ist alles, besonders bei Pornos.
SPIEGEL ONLINE: Sie klingen sehr abgeklärt. Hat Sie am Pornogeschäft nie etwas erschreckt?
Grey: Oh, die Risiken waren mir voll bewusst. Es waren ja gewaltige Risiken. Angst machten mir vor allem zwei: Der Schock für meine Familie - und natürlich das Risiko, sich mit etwas Gefährlichem anzustecken. Aber ich hatte das Gefühl, dass ich beides bewältigen könnte.
SPIEGEL ONLINE: Wie war es, zum ersten Mal vor der Kamera Sex zu haben?
Grey: Es war viel besser, als ich befürchtet hatte. Ich machte bei einer Orgienszene mit! Das klingt extrem, ist es aber nicht, weil bei einer Orgie die Aufmerksamkeit nicht bei mir liegt.
SPIEGEL ONLINE: Wie definieren Sie eine Orgie?
Grey: Es müssen mindestens fünf Menschen miteinander Sex haben, damit es als Orgie durchgeht.
SPIEGEL ONLINE: Wie bereitet man sich mental auf eine Sexorgie vor?
Sasha Grey: Ich habe wie gesagt viel gesehen, gelesen und physisch geübt. Wenn Sie es genau wissen wollen, ich habe auch ausgiebig mit Dildos geübt. Meine Muskeln trainiert, Orgasmen geprobt. Auch Analsex habe ich so trainiert. Das ist eine reine Muskelangelegenheit. Dieser Muskel muss fit sein, dann ist Analsex etwas total Normales. Alles eine Frage der Übung!
SPIEGEL ONLINE: Waren Sie jemals schockiert von etwas?
Grey: Nein. Nur angeekelt. Ich erspare Ihnen die Beispiele.
SPIEGEL ONLINE: Sie waren während Ihrer Karriere ständig in einer festen Beziehung. Wie belastend war Ihr Job dafür?
Grey: Genau so, wie Sie sich das wohl vorstellen: sehr belastend. Aber wir haben es hingekriegt, weil mein Freund nichts mit der Pornoindustrie zu tun hat. Viele Pornostars haben untereinander Beziehungen, und das geht eigentlich immer schief. Da fordert der Mann dann auf einmal die Frau auf, endlich auszusteigen, was unglaublich verlogen ist. Außerdem ist die Eifersucht bei Pornodarstellerpaaren unfassbar groß! Ich und mein Freund haben immer offen über alles gesprochen, deshalb sind wir noch zusammen. In diesem Job zu lügen kann schlimme Folgen haben.
SPIEGEL ONLINE: Kann man behaupten, dass Pornos mittlerweile ein akzeptierter Teil der Unterhaltungskultur sind?
Grey: Das ist wohl so. Das liegt aber vor allem daran, dass jeder mit einem Computer heute mit wenigen Klicks alles zu sehen kriegt, wovon früher nur phantasiert wurde. Aber viele Menschen fühlen sich immer noch von Pornos bedroht. Zwischen der Sexualität in großen Kinofilmen oder Werbung und der Pornografie verläuft immer noch eine feine Grenze. Viele Erwachsene spielen mit Pornomotiven in Kunst und Unterhaltung, sind aber entsetzt, wenn sie tatsächlich einen sehen. Sexuell gesehen ist unsere Gesellschaft noch entsetzlich verklemmt. Das Unbekannte macht vielen Angst. Und das ist andererseits der beständige Reiz von Pornos: das ewige Tabu!
SPIEGEL ONLINE: Bekommen Heranwachsende, die viele Pornos im Internet sehen, nicht ein groteskes Bild von Sexualität?
Grey: Nicht nur Teenager, auch Erwachsene! Viele Männer und Frauen denken, was sie da sehen, müssten sie im eigenen Bett auch leisten. Was natürlich großer Quatsch ist. Aber es ist auch eine selten ausgesprochene Wahrheit, dass gar nicht so wenige Menschen gern mal Dinge ausprobieren würden, die sie in Pornos sehen. Sie trauen sich aber nicht, das auszuleben.
SPIEGEL ONLINE: Sie sind in diesem Frühjahr aus der Pornoindustrie ausgestiegen. Warum?
Grey: Ich hatte schon länger keine Lust mehr. Ich hatte alles erlebt, wiederholte mich nur noch. Und weil in letzter Zeit immer mehr Angebote für Rollen in regulären Filmen und TV-Serien kamen, machte ich Schluss.
SPIEGEL ONLINE: Vermissen Sie etwas von ihrem Pornoalltag?
Grey: Das Absurde! Das habe ich meistens geliebt. Teilweise sogar den Sex, ich habe da viel gelernt. Aber vor allem vermisse ich die Sicherheit. Ich hatte ein festes Einkommen, feste Arbeitspläne. Das ist alles weg. Jetzt fange ich mit 23 noch mal von vorne an.
Das Interview führte Christoph Dallach